Montag, 15. Oktober 2007

20070919 Sunapee Region

Totaler Nebel und kalt. Bibber. Ich muss losfahren, Espresso holen für den Kaffeejunkie. Sonst fällt sie um. What shall we do with the Drunken Donut, early in the morning: Emergency Coffee!
Eigentlich möchte ich in die Berge, wandern: Natur, frische Luft, Bewegung.
Als wir losfahren, so gegen 11 hat die Sonne den Nebel aufgelöst. Ich will über die Interstate 89 zur Sunapee Region, eines der empfohlenen Ziele.
http://sunapeevacations.com/index.html

Das System mit den Straßenbezeichnungen glaubten wir, im Griff zu haben. Du mußt die Himmelsrichtungen kennen, also 89 South, ist doch glasklar. Nach zuversichtlichen flotten ersten Meilen durch goldig waldige Hügel fällt auf, daß da nicht die erwartete Abfahrt kommt. Offensichtlich befinden wir uns auf der 91 South. Warum? Keine Ahnung. Geht aber auch so. Wir müssen bei Exit 8 raus und dann nach Osten quer durch die Wälder. Auch schön, wir haben ja Zeit. Doch an Exit 8 fahren wir vorbei, weil Jutta meinte, Exit 8 hieße, die Ausfahrt käme in 8 Meilen. Also noch einen Exit weiter und wieder zurück.
Die nächste Prüfung wartet auf mich, denn ich muss tanken. Unglaublich, vor welch ansonsten banalen Verrichtungen des Alltags man in diesem Land Ängste entwickelt. Hoffentlich kommt da keine Cola aus dem Zapfhahn, oder es hört nicht auf zu laufen oder ich finde den Tankdeckel nicht, muss einen Typen fragen, den ich nicht verstehe und der eine Knarre dabeihat. Lange fuhr ich mit der Anzeige "trunk ajar" durch's Land und wußte nicht, was das heißt. Franzi übersetzt es mir als: "Kofferraumdeckel ist offen" und ich bin beruhigt, daß es nichts Ernsteres war.
Ich frage, irgendeinen Typen, ob "Regular" der richtige Stoff für die Karre ist und bekomme so was wie ein hmm!yeah, maybe or maybe not, eine doch recht befriedigende Auskunft, wenn man die Blödheit der Frage bedenkt. Ich stehe vor der Zapfsäule, wie der Affe in 2001 (Odyssee im Weltraum) vor dem Monolithen und lese, daß man erstmal den Bezahlmodus wählt: Cash, dann per Taste den Kraftstoff und schon fließt der Sprit. Beim anschließenden Bezahlen wird man immer gefragt, ob es einem gut geht, ob man was eingepackt haben will, ob man alles gefunden hat, ob man zufrieden ist, wie man geschlafen hat, ob man guten Blutdruck, gute Verdauung, Reifendruck, genügend Unterwäsche oder Taschentücher hat und darf dann gehen. Rein darf man nur mit Shirt und Shoes (are requested).
Wir erreichen Sunapee gegen High Noon. Das ist nicht mal ein Kaff, hat aber einen kleinen schnuckeligen Hafen am Ende einer Bucht des wunderschönen Sees, der mitten in Wäldern liegt. Beherzt setzen wir zu einer Umrundung des Sees zu Fuß an, sehen aber bald, daß die Uferzonen komplett verkauft sind und nur etwas höher eine Straße die Grundstückszufahrten bedient. Eine Weile folgen wir dieser Straße, ums herrliche Ufer betrogen, aber glücklich, ohne erschossen oder überfahren zu werden durch den duftenden Wald gehen zu können. An einer Stelle wage ich den illegalen Durchbruch zum Ufer auf Kosten meines Gewissens. Wie ein Schurke, der teure Villen ausspäht, um sie des Nachts auszuräumen, sichere ich nach allen Seiten, ob wer auf mich zielt, laute Geräusche vermeidend.
Jutta wartet an der Straße. Ihre Ängste möchte ich gar nicht kennen.
Der Ausblick ist ganz nett und wir gehen zurück, vorbei an einem winzigen öffentlichen Strand, der von einem Veteranen des Koreakrieges nach Minen abgesucht wird. Auf einer Tafel wird alles verboten, aber viel Spaß beim Aufenthalt gewünscht. 2 Frauen und ein Kind nutzen das großzügige Angebot. Das Kind wird von seiner Mutter gefilmt.

Wir essen in einem mittelgrindigen Laden. In meinem Burger, der von einer fahlen Käsescheibe überschmolzen ist, verstecken sich ein paar Knochensplitter. Einer davon zerschellt auf meinem Problemzahn, der bisher einen ruhigen Tag hatte. Mit dem Gefühl, auf eine Tretmine gebissen zu haben, bekomme ich die Maulsperre und taste vorsichtig mit der Zungenspitze nach Überlebenden. Doch außer einigen ausgebombten Ruinen und leblosen Körpern ist da nichts. Nach einem meditativen Reset kaue ich auf den verbliebenen Eckzähnen vorsichtig weiter meinen Burger der weapon-of-mass-destruction-Klasse. Nix wie weg aus Sunapee zum Mt. Sunapee. Wir nehmen die falsche Straße, kommen aber gut hin und finden statt eines gutbesuchten Wanderzirkus ein Geisterschigebiet mit ein paar Liften und einem gigantischen Parkplatz. Nirgends sind Pfade oder Wegtafeln zu sehen, also weiter nach Newbury am Südzipfel des Sees, das aus einer Kirche und einem Friedhof besteht, wenn man die Abbildung im Reiseführer betrachtet. Mittlerweile sind wir uns sicher, daß das Land komplett ausverkauft ist oder undurchdringliche, bärenverseuchte Wildnis. Wege gibt es keine, weil ohnehin alle nur Auto fahren. Die Orte, durch die wir kommen haben weder ein kommunikatives Zentrum, noch vernünftige Gehwege. Das läßt nur eine Lebensweise zu: Bewegung nur mit Auto, jeder bleibt in seinem Haus, abends kannst du irgendwo essen gehen, ins Kino oder Essen holen mit dem Auto, oder gleich zuhause bleiben und zwischen Kühlschrank, Mikrowelle und TV pendeln und irgendwann ins Queen Size Bett kippen.

Rein aus Frust und "Mitternachtsmüdigkeit" tapern wir durch Newbury. Ich schaue in die öffentliche Bücherei rein. Auch hier wuseln Omas rum (Es gibt scheinbar keine Rente, die zum Überleben reicht). Ein paar nette Räume und ein paar Blicke für den Alien, der da reinschaut. Dann zum Town Office (Wo verdammt ist hier die Town?) Ah! Klos, und noch dazu superclean und nett und OH! eine Wanderkarte mit Hiking Trails. Das gibt es doch nicht. Ich spende 1 Dollar für die Erhaltung der Wege und wir stapfen los. Es ist mittlerweile 3 p.m. und wir verpassen erst mal den Einstieg zum Trail. Bald stellt sich der Weg allerdings als bestens markiert und gut gepflegt heraus. Durch dichten Wald soll er uns zum Lake Solitude führen, nachdem wir den 2.500 Fuß hohen South Peak überquert haben. Es geht ganz schön bergauf, leider ohne jede Aussicht. Jutta findet einen knallorangenen Salamander, der die weiße Besiedlung des Kontinents überlebt hat. Ansonsten nur ein paar Vögel, glücklicherweise keine Bären oder anderes Großwild. Auch keine menschlichen Begegnungen auf diesem einsamen und seltsam versponnenen Trail bis wir nach etwa 1 1/2 Stunden einen großartigen Aussichtspunkt erreichen, der uns umhaut.
Zum See ist es nochmal ganz schön weit. Die Sonne kommt schon etwas niedrig herein und hier und da knackt es im Gebüsch, weil die Bären Lust auf Abendessen kriegen. Kein Mensch und aufkeimende Katastrophenszenarien, sich hier zu verlaufen und im Dunkeln herumzuirren ohne Handy, übernachten zu müssen. Jutta stapft vor mir her, ganz schön flott. Was, wenn sie plötzlich stehenbleibt und nicht mehr weiterwill? Wir reden nicht viel, jeder kramt in seinem Hirn herum und setzt einen Fuß vor den andern. Endlich der See, ein verzauberter Tümpel, glitzernd in der Abendsonne. Ausgeblichene Äste ragen heraus, wie die Skelette von Indianern und Soldaten, die bei einem furchtbaren Gemetzel am See starben.


Wir bleiben nur kurz, finden den blau markierten Rückweg und lassen die Schwerkraft und die Anziehungskraft unseres gemütlichen Mietwagens wirken. Die Muskeln sind müde, so daß wir öfter auf den feuchten Steinen ausrutschen. Wir freuen uns, als wir die Straße erreichen und kommen nach 3 1/2 Stunden beim Auto an. Wir wählen den kürzesten Weg zur 89 North und verpassen sie perfekt. Nach einer ewigen Fahrerei um den Sunapee Lake, der überirdisch schön im letzten Abendlicht liegt, nützen wir die 2.Chance, auf die Interstate aufzufahren und erreichen ohne weitere Zwischenfälle das Hotel in White River Junction.



Übrigens fand Jutta den Trail faszinierend, die vielen Steine, den dichten Wald.

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